Veröffentlicht am März 15, 2024

Entgegen der Annahme, dass sich Sachsenhausens Kunst am Museumsufer abspielt, liegt seine wahre kreative Seele in den verborgenen Winkeln, die Touristen übersehen.

  • Die authentischste Kunst findet man nicht in großen Institutionen, sondern in von Künstlern selbst betriebenen Hinterhof-Galerien.
  • Die historische Struktur als Handwerkerviertel ist die DNA, die Sachsenhausen zur idealen Brutstätte für eine alternative Kunstszene machte.

Empfehlung: Erkunden Sie den Stadtteil abseits der Hauptstraßen. Sprechen Sie mit den Galeristen und lassen Sie sich von einem versteckten Innenhof zum nächsten führen, um das echte Flair zu entdecken.

Wer an Kunst in Frankfurt-Sachsenhausen denkt, hat meist sofort das imposante Museumsufer vor Augen. Das Städel Museum, die Liebieghaus Skulpturensammlung – weltberühmte Häuser, die unbestreitbar Schätze von internationalem Rang beherbergen. Doch wer das wahre, pulsierende und ungeschliffene künstlerische Flair des Stadtteils sucht, muss diesen glanzvollen Uferweg verlassen. Die eigentliche kreative Energie Sachsenhausens verbirgt sich nicht hinter monumentalen Fassaden, sondern in den stillen, oft unscheinbaren Gassen und Hinterhöfen, die das Viertel durchziehen.

Die gängigen Reiseführer lenken den Blick auf das Offensichtliche. Sie preisen die Apfelweinkneipen und die Nähe zur Innenstadt. Aber sie schweigen über die wahre „Hinterhofkultur“, die diesen Stadtteil so einzigartig macht. Was, wenn der Schlüssel zum authentischen Kunsterlebnis nicht im Kauf einer Eintrittskarte liegt, sondern im Mut, an einer unscheinbaren Tür zu klingeln? Dieser Guide ist eine Einladung, genau das zu tun. Wir ignorieren die Postkartenmotive und tauchen tief in die DNA der echten Kreativszene ein – eine Szene, die von lokalen Künstlern getragen wird, sich auf urbanen Leinwänden entfaltet und ihre Wurzeln in der bescheidenen Vergangenheit des Viertels hat.

Dieser Artikel führt Sie gezielt zu den Orten, an denen die Kunst Sachsenhausens wirklich lebt. Wir entdecken gemeinsam versteckte Galerien, lernen die Namen kennen, die die Szene prägen, und verstehen, warum gerade hier eine so lebendige und nahbare Kunstwelt entstehen konnte. Machen Sie sich bereit, Sachsenhausen mit den Augen eines Insiders zu sehen.

Welche 6 Hinterhof-Galerien in Sachsenhausen kennen selbst viele Frankfurter nicht?

Die Suche nach dem authentischen Kunstherz Sachsenhausens ist eine Schatzsuche. Sie beginnt dort, wo die glatten Fassaden der Schweizer Straße aufhören und die verwinkelten Gassen des Brückenviertels beginnen. Hier, hinter unscheinbaren Toren und in ruhigen Innenhöfen, verbirgt sich eine lebendige Szene, die oft nur durch ein kleines Klingelschild verraten wird. Laut aktuellen Verzeichnissen gibt es in Sachsenhausen offiziell rund 18 Galerien, doch die spannendsten Entdeckungen sind jene, die in keinem Hochglanz-Magazin stehen. Es sind Projekträume, Ateliergemeinschaften und von Künstlern selbst betriebene Ausstellungsflächen, die den wahren Charakter des Viertels ausmachen.

Das Betreten dieser Räume fühlt sich an wie das Entdecken eines Geheimnisses. Man lässt den Lärm der Stadt hinter sich und tritt in eine Oase der Kreativität. Statt steriler White-Cube-Atmosphäre findet man hier oft den Charme alter Werkstätten, umgeben von Efeu und dem leisen Geräusch arbeitender Künstler aus den Nachbarateliers. Der folgende Eingang zu einer solchen Galerie ist typisch für die subtilen Hinweise, nach denen man Ausschau halten sollte.

Versteckter Eingang zu einer Hinterhof-Galerie in Sachsenhausen, erkennbar an einem alten Klingelschild neben einer Efeu bewachsenen Wand.

In diesen Galerien steht nicht der kommerzielle Aspekt im Vordergrund, sondern der Dialog. Die Galeristen – oft selbst Künstler – nehmen sich Zeit, erzählen die Geschichten hinter den Werken und geben Einblicke in die lokale Szene. Man kauft hier nicht nur ein Kunstwerk, sondern ein Stück der Sachsenhäuser Kreativ-DNA. Um den Einstieg in diese Welt zu erleichtern, braucht es eine Art ungeschriebenen Verhaltenskodex.

Ihr Fahrplan zur Entdeckung der Hinterhof-Galerien

  1. Eingänge entschlüsseln: Suchen Sie gezielt nach unscheinbaren Eingängen, Hofeinfahrten und kleinen, oft handgeschriebenen Klingelschildern neben Toren. Das ist das erste Zeichen.
  2. Respektvoll Kontakt aufnehmen: Klingeln Sie während der angegebenen Öffnungszeiten (oft nur an wenigen Tagen) und stellen Sie sich als Kunstinteressierter vor. Ein freundliches „Hallo, ich würde mir gerne die Ausstellung ansehen“ öffnet jede Tür.
  3. Dialog statt Konsum: Kommen Sie mit den Galeristen ins Gespräch. Echtes Interesse an der Kunst und den Künstlern wird hier weitaus mehr geschätzt als eine offensichtliche Kaufabsicht. Fragen Sie nach dem Konzept der Ausstellung oder der Technik des Künstlers.
  4. Zeit als Währung: Bringen Sie Zeit mit. Diese Galerien leben von der persönlichen Atmosphäre und der Beratung. Hektisches Durchlaufen wird der intimen Erfahrung nicht gerecht.
  5. Netzwerk nutzen: Fragen Sie den Galeristen am Ende Ihres Besuchs, welche anderen versteckten Orte er oder sie empfehlen kann. Niemand kennt die lokale Szene besser.

Welche Wochentage und Uhrzeiten bieten die meisten kostenlosen Kunsterlebnisse in Sachsenhausen?

Das Beste an der authentischen Kunstszene Sachsenhausens ist ihre Zugänglichkeit. Man muss kein vermögender Sammler sein, um tief in sie einzutauchen – viele der intensivsten Kunsterlebnisse sind völlig kostenlos. Der Schlüssel liegt darin, die Rhythmen des Viertels zu kennen und zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Die kommerziellen Galerien entlang der Hauptstraßen haben zwar reguläre Öffnungszeiten, doch die wahre Magie entfaltet sich oft an spezifischen Tagen.

Ein absolutes Highlight für Kunstliebhaber mit schmalem Budget ist eine stadtweite Initiative: der Satourday, der an jedem letzten Samstag im Monat freien Eintritt in viele Frankfurter Museen gewährt. Auch wenn dies die etablierten Häuser am Museumsufer einschließt, ist es eine hervorragende Gelegenheit, den Tag mit einem kostenlosen Museumsbesuch zu beginnen, bevor man sich auf die Suche nach den versteckten Galerien im Viertel macht. Viele kleine Galerien passen ihre Öffnungszeiten an diesem Tag an, um von der erhöhten Frequenz kunstinteressierter Flaneure zu profitieren.

Die wohl intensivsten kostenlosen Erlebnisse bieten jedoch die Vernissagen. Diese Ausstellungseröffnungen finden typischerweise am Donnerstag- oder Freitagabend statt und sind das gesellschaftliche Herz der Kunstszene. Hier trifft man die Künstler persönlich, kommt mit Galeristen und anderen Kunstfreunden ins Gespräch und erlebt die Werke in einer dynamischen, festlichen Atmosphäre. Ein weiterer unschätzbarer Tipp sind organisierte Galerienwochenenden. Die Frankfurt Art Experience zum Beispiel bündelt die Kräfte der Szene und bietet kostenlose geführte Touren an. Das Programm ermöglicht mit über dreißig geführten Rundgängen tiefe Einblicke in die zeitgenössische Kunst, wobei Sachsenhausen aufgrund seiner Galeriendichte zwischen Schweizer Platz und Brückenviertel ein zentraler Anlaufpunkt ist.

Zusammenfassend lässt sich der Kalender des Kunstentdeckers so strukturieren: Donnerstags und freitags abends nach Vernissagen Ausschau halten, den letzten Samstag im Monat für den Satourday und die umliegenden Galerien nutzen und die Termine der großen Galerienwochenenden im Auge behalten. So wird Sachsenhausen zur kostenlosen, ganzjährigen Kunstausstellung.

Wer sind die 5 wichtigsten Künstlernamen, die man in Sachsenhausen kennen sollte?

Eine Kunstszene lebt nicht nur von Orten, sondern vor allem von den Menschen, die sie prägen. In Sachsenhausen sind es oft nicht die international gefeierten Superstars, sondern lokale und regionale Künstler, die dem Viertel sein Gesicht geben. Ihre Werke finden sich in den Hinterhof-Galerien, ihre Spuren an den Wänden der Stadt und ihre Präsenz in den von ihnen mitbetriebenen Projekträumen. Um die Szene wirklich zu verstehen, ist es unerlässlich, einige dieser zentralen Akteure zu kennen. Ihre Namen sind Schlüssel, die Türen zu Ateliers und zu einem tieferen Verständnis der hiesigen Kunst öffnen.

Das Eintauchen in die Arbeit dieser Künstler ist wie das Erlernen einer neuen Sprache. Man beginnt, die visuellen Dialekte zu erkennen, die das Viertel prägen. Die folgende Abbildung fängt die intime Atmosphäre eines solchen kreativen Arbeitsraumes ein, in dem die Ideen und Werke entstehen, die später in den Galerien zu sehen sind.

Künstleratelier in Sachsenhausen mit kreativer Arbeitsatmosphäre, die Hände eines Künstlers malen an einer Leinwand.

Anstatt einer abstrakten Liste sind hier fünf konkrete Anlaufstellen und Namen, die als Ausgangspunkt für eine Entdeckungsreise dienen können:

  • Die Gemeinschaft der Galerie Brücke54: Dieser Raum in der Brückenstraße 54 ist ein Paradebeispiel für einen künstlergeführten Raum. Hier haben sich zehn Künstler zusammengeschlossen, um ihre Werke in Eigenregie zu präsentieren. Ein Besuch hier bietet einen Querschnitt durch das aktuelle Schaffen der lokalen Szene.
  • Stefan Müller: Als Absolvent der renommierten Städelschule ist Stefan Müller eine feste Größe. Seine oft abstrakten und konzeptuellen Arbeiten werden regelmäßig in verschiedenen Sachsenhäuser Galerien ausgestellt. Nach ihm zu fragen, zeugt von Kennerschaft.
  • Petra Ober: Bekannt für ihre malerischen Arbeiten und kunstvollen Buch-Entwürfe, hat Petra Ober ihr Atelier ebenfalls im Viertel. Ihre Werke verbinden oft Text und Bild auf eine poetische Weise und spiegeln die literarische Tradition Frankfurts wider.
  • Felix Hartlaubs Erbe: Obwohl der Künstler selbst nicht mehr lebt, sind seine Spuren sichtbar. Die „KunstSäule“ am Spielplatz in der Brückenstraße ist eine umgestaltete Litfaßsäule, die oft wechselnde Ausstellungen zeigt und unter anderem an sein Werk erinnert – ein Beispiel für Kunst, die sich in den Alltag integriert.
  • Der Street-Artist Peng: Um die Brücke von der Galerie zur Straße zu schlagen, muss man den Namen Peng kennen. Seine symbolgeladenen und oft gesellschaftskritischen Werke sind ein prägender Teil der „Freiluftgalerie“ an der Friedensbrücke und repräsentieren die junge, urbane Seite der Sachsenhäuser Kunstszene.

Warum zog es Künstler und Galerien nach Sachsenhausen statt ins Westend?

Die Frage, warum sich die authentische, unkonventionelle Kunstszene in Sachsenhausen und nicht im ebenso zentralen, aber mondänen Westend angesiedelt hat, ist eine Frage der DNA. Die Antwort liegt tief in der Geschichte und der sozio-architektonischen Struktur beider Stadtteile verankert. Während das Westend mit seinen prächtigen Gründerzeitvillen und breiten Alleen schon früh zum Sitz der Banken und der Oberschicht wurde, war Sachsenhausen traditionell das Viertel der „kleinen Leute“.

Eine historische Aufzeichnung verdeutlicht diese Herkunft eindrucksvoll. Eine Analyse der Bevölkerungsstruktur von 1761 zeigt, dass ein Großteil der Einwohner aus Handwerkern bestand: 435 Weingärtner und Gärtner, 125 Fischer, 30 Bierbrauer und 20 Gerber prägten das Bild. Diese Struktur aus kleinen Werkstätten, bescheidenen Wohnhäusern und funktionalen Hinterhöfen bot über Jahrhunderte hinweg genau die Art von bezahlbarem Raum und unprätentiöser Umgebung, die Künstler für ihre Ateliers benötigen. Das Westend war schlicht zu teuer, zu repräsentativ, zu etabliert.

Diese bauliche und soziale Grundlage schuf eine ganz besondere Atmosphäre, die bis heute spürbar ist. Die Stadtführerin und Sachsenhausen-Kennerin Anett Göthe fasst diesen entscheidenden Unterschied prägnant zusammen, wie sie in einer ihrer Führungen erklärt:

Die architektonische DNA mit verwinkelten Gassen und kleinteiliger Struktur begünstigte eine intimere, bohème Atmosphäre.

– Anett Göthe, Stadtführung Kreatives Sachsenhausen

Es ist genau diese intime, bohème Atmosphäre, die den Nährboden für Kreativität bildet. In Sachsenhausen konnte eine Gemeinschaft wachsen, in der man sich kennt, sich austauscht und gegenseitig inspiriert. Die verwinkelten Gassen fördern zufällige Begegnungen, die Hinterhöfe bieten Schutz und Konzentration. Das Westend hingegen verkörpert mit seiner geradlinigen Pracht das genaue Gegenteil: Distanz, Repräsentation und kommerziellen Erfolg. Die Kunst fand in Sachsenhausen ein Zuhause, weil sie hier nicht repräsentieren, sondern einfach nur sein und entstehen konnte.

Wo findet man in Sachsenhausen beeindruckende Kunst im öffentlichen Raum ohne Eintritt?

Neben den versteckten Galerien hat Sachsenhausen eine weitere, für jeden frei zugängliche Kunstbühne: die Straße selbst. Die urbane Leinwand des Viertels ist reich an Murals, Skulpturen und vor allem an erstklassiger Street Art. Dieses Erlebnis ist vielleicht die demokratischste Form der Kunstbegegnung – sie ist immer da, kostet nichts und überrascht an den unerwartetsten Ecken. Der wichtigste Hotspot und das pulsierende Herz dieser Szene ist zweifellos die Freiluftgalerie unter der Friedensbrücke.

Seit 2012 ist dieser Ort eine legale Graffiti-Fläche, die sich ständig wandelt. Im Rahmen des Projekts „Just Writing My Name“ entstand hier ein international anerkannter Ort für urbane Kunst. Wie eine Dokumentation zur Frankfurter Street-Art-Szene festhält, beeindruckt die Fläche mit immer neuen Arbeiten, oft von Künstlern aus dem Umfeld des Naxosateliers. Diese Galerie ist nicht nur ästhetisch beeindruckend, sondern auch ein Ort des gesellschaftlichen Diskurses. Ein aktuelles, 27 Meter langes Graffiti erinnert an die Opfer des rassistisch motivierten Terroranschlags von Hanau vom 19. Februar 2020. Die Porträts der neun ermordeten Menschen sind ein kraftvolles Mahnmal gegen rechten Terror und zeigen, wie relevant und politisch Street Art sein kann.

Doch die Kunst im öffentlichen Raum beschränkt sich nicht auf die Friedensbrücke. Ein Spaziergang mit offenen Augen offenbart zahlreiche weitere Schätze. Die bereits erwähnte KunstSäule am Brückenstraßen-Spielplatz ist eine umfunktionierte Litfaßsäule, die als Plattform für wechselnde, oft temporäre Installationen dient. Nicht weit davon entfernt, im Brückenviertel, lohnt es sich, die Blicke in die Hinterhöfe schweifen zu lassen, wo sich oft große, versteckte Murals (Wandgemälde) finden. Selbst alte Skulpturen wie der „Hafenarbeiter“ von Constantin Meunier am Mainufer werden von lokalen Künstlern immer wieder kreativ „eingekleidet“ und temporär in neue Kunstwerke verwandelt.

Diese Kunstform ist flüchtig und dynamisch. Ein Werk, das heute da ist, kann morgen schon übermalt sein. Das macht den Reiz aus: Jeder Spaziergang ist eine neue Entdeckungsreise. Die Kunst im öffentlichen Raum macht Sachsenhausen zu einem lebendigen, sich ständig verändernden Museum, dessen Kuratoren die Künstler der Stadt selbst sind.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das wahre künstlerische Herz Sachsenhausens schlägt in den versteckten Hinterhöfen und von Künstlern geführten Projekträumen, nicht am touristischen Museumsufer.
  • Die historische Vergangenheit als Handwerker- und Arbeiterviertel schuf die ideale, unprätentiöse und bezahlbare Infrastruktur für Ateliers und eine bohème Atmosphäre.
  • Die lebendigste Kunst ist oft kostenlos: Erleben Sie die Szene bei Vernissagen, an legalen Graffiti-Wänden wie der Friedensbrücke oder bei Events wie dem Galerienwochenende.

Wo finden Sie persische Feinkostläden, koreanische Buchhandlungen und eritreische Cafés?

Eine pulsierende Kunstszene entsteht selten im luftleeren Raum. Sie braucht ein kreatives Ökosystem, einen Nährboden aus unterschiedlichen Einflüssen, Inspirationen und Kulturen. Genau hier offenbart Sachsenhausen eine weitere, oft übersehene Facette seines Flairs: eine subtile, aber reiche internationale Vielfalt. Während andere Frankfurter Stadtteile wie das Bahnhofsviertel ihre Multikulturalität laut und offensichtlich zur Schau stellen, ist sie in Sachsenhausen leiser, aber tief in der Alltagsstruktur verwurzelt und beflügelt die hier ansässigen Künstler.

Statt großer Supermarktketten findet man hier kleine, inhabergeführte Läden, die Produkte aus aller Welt anbieten. Ein Spaziergang abseits der Schweizer Straße wird so zu einer kulinarischen und kulturellen Weltreise. Man entdeckt vielleicht einen persischen Feinkostladen, der Safran und Granatapfelsirup verkauft, oder ein kleines eritreisches Café, in dem der Duft von frisch geröstetem Kaffee in der Luft liegt. Vielleicht stößt man auf eine koreanische Buchhandlung, deren ästhetische Cover-Designs eine ganz eigene visuelle Inspiration bieten. Diese Orte sind mehr als nur Geschäfte oder Gastronomie; sie sind Ankerpunkte für Gemeinschaften und Quellen für neue Ideen, Farben und Formen.

Diese Vielfalt ist der Treibstoff für die Kreativität. Ein Künstler, der nach einem langen Tag im Atelier durch diese Straßen schlendert, nimmt diese Eindrücke auf. Der Geschmack eines türkischen Gebäcks, die Muster auf einem afrikanischen Stoff, der Klang einer fremden Sprache – all das fließt unbewusst oder bewusst in den kreativen Prozess ein. Es verhindert Monokultur und sorgt dafür, dass die Kunst, die in Sachsenhausen entsteht, so vielschichtig ist wie das Viertel selbst. Es ist diese Mischung aus alteingesessener Frankfurter Tradition (Apfelwein) und globalen Einflüssen, die die Spannung und Dynamik erzeugt.

Die Suche nach diesen Orten ist Teil des authentischen Erlebnisses. Es gibt keine zentrale „internationale Meile“. Man muss sich treiben lassen, in Seitenstraßen abbiegen und neugierig bleiben. Genau wie bei der Suche nach den Hinterhof-Galerien wird man für den Mut, die ausgetretenen Pfade zu verlassen, mit echten Entdeckungen belohnt.

Welche Route führt in 90 Minuten zu den 12 prächtigsten Gründerzeitvillen im Westend?

Nachdem wir nun tief in die intime, kleinteilige und bohèmehafte Kunstwelt Sachsenhausens eingetaucht sind, lohnt sich ein bewusster Schritt des Kontrasts. Um den einzigartigen Charakter Sachsenhausens wirklich zu würdigen, hilft der Blick auf sein Gegenstück: das Frankfurter Westend. Ein Spaziergang durch dieses Viertel ist weniger eine Kunst- als vielmehr eine Architektur- und Soziologiereise. Er schärft den Blick für das, was Sachsenhausen so besonders macht.

Stellen Sie sich eine 90-minütige Route vor, die am Opernplatz beginnt und sich durch die von Bäumen gesäumten Alleen wie die Bockenheimer Landstraße, die Mendelssohnstraße oder die Feuerbachstraße schlängelt. Hier steht nicht das versteckte Detail im Vordergrund, sondern die imposante Repräsentation. Statt verwinkelter Hinterhöfe dominieren großzügige Vorgärten, statt bescheidener Handwerkerhäuser reihen sich opulente Gründerzeitvillen aneinander. Jedes Gebäude scheint eine Geschichte von Reichtum, Macht und bürgerlichem Stolz zu erzählen. Die Fassaden sind geschmückt mit Stuck, Erkern und Türmchen – eine Demonstration von Erfolg, die im starken Kontrast zur funktionalen Bescheidenheit der Sachsenhäuser Architektur steht.

Während man durch das Westend flaniert, spürt man eine andere Atmosphäre. Sie ist ruhiger, formeller und distanzierter. Die hohen Hecken und Zäune schaffen Privatsphäre, wo in Sachsenhausen offene Hoftore zur Erkundung einladen. Man findet hier keine zufälligen Street-Art-Gemälde an den Wänden, sondern perfekt gepflegte Gärten. Dieser Spaziergang ist ein intellektuelles Erlebnis: Man versteht unmittelbar, warum eine alternative Kunstszene hier kaum Nährboden gefunden hätte. Der Raum ist nicht für Experimente und kreatives Chaos gemacht, sondern für die Bewahrung von Status.

Eine solche Route könnte zu 12 exemplarischen Villen führen, die die unterschiedlichen Stile der Gründerzeit – von der Neorenaissance bis zum Jugendstil – repräsentieren. Das Ziel ist nicht, jede Villa historisch zu analysieren, sondern das Gesamtgefühl zu absorbieren. Nach diesem Spaziergang kehrt man mit einem neuen Bewusstsein nach Sachsenhausen zurück und schätzt seine unperfekte, lebendige und zugängliche Kreativität umso mehr.

In welchen Frankfurter Stadtvierteln erlebt man die größte kulturelle Vielfalt?

Frankfurt am Main ist eine Stadt der Kontraste, und ihre kulturelle Vielfalt ist nicht auf ein einziges Viertel konzentriert, sondern fächert sich in unterschiedlichen Ausprägungen über die ganze Stadt auf. Die Frage nach der „größten“ Vielfalt lässt sich daher nicht mit einem einzigen Namen beantworten, sondern erfordert eine Charakterisierung der verschiedenen Zentren. Jedes Viertel hat sein eigenes, unverwechselbares kulturelles Profil.

Das Bahnhofsviertel bietet zweifellos die intensivste und sichtbarste internationale Vielfalt. Auf engstem Raum treffen hier über 100 Nationalitäten, globale Küchentrends und eine raue, urbane Energie aufeinander. Es ist ein Ort der Extreme, dynamisch und ungeschönt. Im Gegensatz dazu steht das Nordend mit seiner bürgerlich-alternativen Mischung. Hier prägen Bioläden, junge Familien und eine hohe Dichte an Cafés das Bild, durchsetzt von einer intellektuellen, politisch bewussten Kulturszene. Bornheim wiederum, oft als „lustiges Dorf“ bezeichnet, pflegt eine fast dörfliche Gemeinschaftsatmosphäre mit einem starken lokalen Handel und traditionellen Festen wie der Bernemer Kerb.

Und wo steht Sachsenhausen in diesem Mosaik? Es bietet eine einzigartige Synthese. Es hat nicht die schrille Internationalität des Bahnhofsviertels, aber eine tief verwurzelte, subtile globale Durchmischung. Es ist nicht so homogen bürgerlich wie Teile des Nordends, aber teilt dessen Wertschätzung für Kultur und Individualität. Seine kulturelle Vielfalt ist besonders, weil sie sich aus drei Quellen speist: der tiefen Frankfurter Tradition (Apfelwein, Handwerk), der etablierten Hochkultur (Museumsufer) und der unabhängigen, bohèmehaften Kunstszene (Hinterhöfe, Ateliers). Diese Dreifaltigkeit ist es, die Sachsenhausens Flair ausmacht. Es ist ein Ort, an dem ein Banker nach dem Besuch einer internationalen Kunstausstellung in einer jahrhundertealten Apfelweinkneipe neben einem jungen Street-Art-Künstler sitzt.

Die größte kulturelle Vielfalt erlebt man also, indem man die Stadtteile wechselt. Doch wer die einzigartige Mischung aus Kunst, Geschichte und unprätentiösem internationalem Charme sucht, findet in Sachsenhausen den wohl faszinierendsten und vielschichtigsten Ausgangspunkt für eine Entdeckungsreise durch die Seele Frankfurts.

Jetzt sind Sie dran. Beginnen Sie Ihre Entdeckungsreise nicht am Museumsufer, sondern in einem der stillen Hinterhöfe. Sprechen Sie mit den Menschen, lassen Sie sich treiben und erleben Sie selbst, wie sich die authentische Kunstszene Sachsenhausens vor Ihnen entfaltet. Die wahre Kunst der Stadt wartet auf Sie.

Geschrieben von Thomas Richter, Thomas Richter ist staatlich geprüfter Gästeführer und zertifizierter Natur- und Landschaftsführer mit 19 Jahren Erfahrung in der touristischen Vermittlung und Exkursionsplanung. Er ist Mitglied im Bundesverband der Gästeführer in Deutschland (BVGD) und arbeitet als selbständiger Kulturvermittler, Wanderführer und Reiseberater für die Region Rhein-Main.