Veröffentlicht am Mai 11, 2024

Frankfurts Skyline ist mehr als eine beeindruckende Postkartenansicht; sie ist eine lesbare Chronik von wirtschaftlicher Ambition, städtebaulichem Mut und dem permanenten Dialog zwischen Moderne und Geschichte.

  • Die Bauten sind die unverwechselbare „strukturelle Handschrift“ internationaler Stararchitekten wie Norman Foster oder Helmut Jahn.
  • Die einzigartige Hochhausdichte ist das direkte Ergebnis einer bewussten politischen und wirtschaftlichen Weichenstellung nach 1949.
  • Die Stadtentwicklung ist ein permanenter „Stadt-Dialog“ zwischen dem aufstrebenden Bankenviertel, den geschützten Villen des Westends und der rekonstruierten Altstadt.

Empfehlung: Beginnen Sie Ihre Entdeckung nicht mit einem Foto, sondern mit dem Verständnis der Architekturstile. So wird aus jedem Spaziergang eine faszinierende Zeitreise.

Wer an Frankfurt denkt, hat sofort das Bild der imposanten Skyline vor Augen: „Mainhattan“, das deutsche Finanzzentrum, dessen gläserne Türme in den Himmel ragen. Für viele Besucher bleibt es bei diesem oberflächlichen Eindruck – eine Sammlung von Hochhäusern, die man am besten vom Eisernen Steg aus fotografiert. Doch für den architekturinteressierten Blick offenbart sich hier eine weitaus tiefere und fesselndere Erzählung. Die moderne Architektur Frankfurts ist kein Zufallsprodukt, sondern eine komplexe Sprache aus Glas, Stahl und Beton, die von Macht, Visionen und städtischen Konflikten berichtet.

Die üblichen Reiseführer listen die höchsten Gebäude auf, doch sie beantworten selten die wirklich spannenden Fragen: Warum hier? Warum in dieser Form? Und wer sind die Köpfe hinter diesen kühnen Entwürfen? Anstatt nur die Fassaden zu betrachten, lädt dieser Artikel dazu ein, die „Architekturgrammatik“ Frankfurts zu entschlüsseln. Wir gehen über die bloße Bewunderung der Skyline hinaus und tauchen in die strukturellen Handschriften der Architekten, die städtebaulichen Entscheidungen und den ständigen Dialog zwischen historischer Identität und zukunftsweisenden Experimenten ein. Es geht darum, die Gebäude nicht nur zu sehen, sondern sie lesen zu lernen.

Wir werden die Meisterwerke der Stararchitekten analysieren, lernen, wie man Stile wie Postmoderne und Dekonstruktivismus direkt an der Fassade erkennt, und verstehen, warum gerade Frankfurt zum Labor für architektonische Experimente wurde. Dieser Leitfaden macht aus einem einfachen Stadtbesuch eine kuratierte Expedition durch die gebaute Ambition einer ganzen Metropole.

Dieser Artikel führt Sie systematisch durch die verschiedenen Ebenen der Frankfurter Baukunst. Vom Verständnis der Architekten und ihrer Stile über die historischen Gründe für den Bauboom bis hin zu praktischen Tipps für Ihre eigene Erkundungstour. Das folgende Inhaltsverzeichnis gibt Ihnen einen Überblick über die Themen, die wir behandeln werden.

Wer sind die 7 Stararchitekten hinter Frankfurts bekanntesten Hochhäusern?

Die Frankfurter Skyline ist keine anonyme Ansammlung von Gebäuden, sondern eine Galerie international renommierter Architekten. Ihre Werke sind weit mehr als nur Büroflächen; sie sind gebaute Statements, die eine eigene, unverwechselbare „strukturelle Handschrift“ tragen. Um die moderne Architektur der Stadt zu verstehen, muss man zuerst ihre „Autoren“ kennenlernen. Frankfurt ist hierbei einzigartig in Deutschland: Laut dem Skyline Atlas stehen 19 der 20 höchsten Wolkenkratzer Deutschlands in der Mainmetropole, viele davon von internationalen Koryphäen entworfen.

Jeder dieser Architekten hat der Stadt seinen Stempel aufgedrückt und den architektonischen Dialog geprägt. Ihre Entwürfe sind oft das Ergebnis prestigeträchtiger Wettbewerbe, bei denen die kühnste Vision gewinnt. Diese kreative Konkurrenz ist ein Motor für Innovation und macht Frankfurt zu einem Schauplatz architektonischer Meisterleistungen.

Fallbeispiel: Der Architekturwettbewerb für FOUR Frankfurt

Ein herausragendes Beispiel für diesen Wettstreit der Ideen ist das Projekt FOUR Frankfurt. Der Projektentwickler Groß & Partner lud einige der weltweit führenden Architekturbüros ein, ihre Vision für ein neues, innerstädtisches Quartier zu präsentieren. Unter den 15 Konkurrenten befanden sich Schwergewichte wie Helmut Jahn, Christoph Mäckler und sogar das Büro der verstorbenen Zaha Hadid. Am Ende überzeugte der Entwurf des Amsterdamer Büros UNStudio. Der Architekt Ben van Berkel setzte sich mit seiner Idee von vier Türmen, die eine neue urbane Nachbarschaft bilden, einstimmig durch und demonstrierte damit, wie Architektur heute über das einzelne Gebäude hinausdenken und ganze Stadtteile neu definieren muss.

Die folgenden sieben Architekten und ihre Werke sind essentiell, um die DNA der Frankfurter Skyline zu entschlüsseln:

  • Norman Foster (Commerzbank Tower): Der britische Lord schuf mit dem Commerzbank Tower nicht nur ein Wahrzeichen, sondern das weltweit erste ökologische Hochhaus. Seine „Himmelsgärten“ und die Fokussierung auf Nachhaltigkeit waren 1997 revolutionär.
  • Helmut Jahn (Messeturm): Der deutsch-amerikanische Architekt gab der Postmoderne mit dem Messeturm ein Gesicht. Die ikonische Pyramidenspitze, die an einen Bleistift erinnert, ist ein Meisterwerk des symbolischen Bauens.
  • Christoph Mäckler (Tower 185): Als Frankfurter Lokalmatador versteht Mäckler die Seele der Stadt. Sein Tower 185 ist ein eleganter, fast futuristischer Palast, dessen Gliederung in drei Teile eine beeindruckende Vertikalität erzeugt.
  • Bjarke Ingels (Omniturm): Der dänische Provokateur hat mit dem Omniturm die starre Geometrie des Hochhauses aufgebrochen. Die spiralförmig versetzten Wohngeschosse – der berühmte „Hüftschwung“ – sind eine architektonische Revolution und ein Statement für gemischte Nutzung.
  • Ben van Berkel / UNStudio (FOUR Frankfurt): Wie im Fallbeispiel gezeigt, denkt van Berkel in urbanen Landschaften. Sein Projekt FOUR ist kein einzelnes Haus, sondern ein ganzes, vertikal gedachtes Stadtviertel.
  • Kohn Pedersen Fox (Westend Tower): Das amerikanische Büro ist bekannt für elegante und markante Silhouetten. Die „Krone“ des Westend Tower (auch DZ Bank Krone genannt) erinnert an ein UFO und verleiht dem Gebäude eine unverwechselbare Identität.
  • Coop Himmelb(l)au (EZB-Neubau): Die Wiener Dekonstruktivisten haben mit dem Neubau der Europäischen Zentralbank ein architektonisches Manifest geschaffen. Die asymmetrischen, verdrehten Doppeltürme, verbunden durch eine gläserne Atrium-Struktur, sind der Inbegriff des aufgebrochenen, dynamischen Bauens.

Wie erkennt man Postmoderne, Dekonstruktivismus und High-Tech-Architektur in Frankfurt?

Die Frankfurter Skyline ist ein lebendiges Museum für Architekturstile des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Um die Gebäude wirklich „lesen“ zu können, muss man die visuelle Sprache der verschiedenen Epochen verstehen. Es geht nicht darum, Jahreszahlen auswendig zu lernen, sondern darum, die charakteristischen Merkmale – die „Architekturgrammatik“ – direkt an den Fassaden und Strukturen zu identifizieren. Drei Stile sind für das Verständnis von „Mainhattan“ besonders prägend: die Postmoderne, die High-Tech-Architektur und der Dekonstruktivismus.

Die Postmoderne, die in den 1980er und frühen 1990er Jahren dominierte, war eine spielerische Reaktion auf die strenge und oft als seelenlos empfundene Moderne. Architekten begannen, historische Formen zu zitieren, mit Symbolen zu arbeiten und Materialien wie Naturstein zu verwenden, um den Gebäuden wieder eine Geschichte und einen Charakter zu geben. Ein Paradebeispiel ist Helmut Jahns Messeturm.

Darauf folgte die High-Tech-Architektur in den 1990er Jahren, die das genaue Gegenteil anstrebte. Statt die Technik zu verstecken, wurde sie zum ästhetischen Merkmal. Tragwerke, Aufzüge und technische Versorgungssysteme wurden sichtbar gemacht. Transparenz, Leichtigkeit und eine fast maschinelle Ästhetik, oft verbunden mit frühen ökologischen Konzepten, sind typisch für diesen Stil, wie ihn Norman Fosters Commerzbank Tower perfekt verkörpert.

Der Dekonstruktivismus schließlich bricht radikal mit allen traditionellen Vorstellungen von Harmonie und Stabilität. Gebäude wirken wie Skulpturen, die in ihre Einzelteile zerlegt und neu zusammengesetzt wurden. Schiefe Wände, zersplitterte Formen und dynamische, fast chaotisch wirkende Strukturen sind das Markenzeichen, wie es beim Neubau der EZB zu sehen ist.

Architektonischer Stilvergleich zwischen Messeturm und Commerzbank Tower
Geschrieben von Martin Weber, Martin Weber ist Diplom-Architekt und zertifizierter Architekturfotograf mit Spezialisierung auf urbane Architektur und Stadtentwicklung, seit 14 Jahren in der Architekturvermittlung und -dokumentation tätig. Er ist Mitglied der Architektenkammer Hessen und arbeitet aktuell als selbständiger Architekt und Stadtfotograf in Frankfurt.